Twitter im Polizeieinsatz – ein Social Media Fallbeispiel aus Zürich | #Stapo24

Die Stadtpolizei Zürich sorgte Ende 2011 mit einer Social-Media-Aktion für Aufsehen. Als erste deutschsprachige Polizeibehörde traute sie sich in Echtzeit von ihren Einsätzen zu twittern. Lesen Sie Details aus den Polizeiakten und was 24 Stunden Twitter angerichtet haben! Für dieses Fallbeispiel habe ich Informationen aus der Schweiz „zugespielt“ bekommen. Ich bedanke mich bei der Hochschule für Wirtschaft Zürich und der Stadtpolizei Zürich, namentlich ihrem Sprecher Michael Wirz.

Wenn Twitter und Facebook gefahrlos in der Polizeiarbeit einsetzbar sind, wie viel einfacher haben es dann Unternehmen damit? Das ist der Grund, warum ich Ihnen das Fallbeispiel beschreibe.

Die Stadtpolizei Zürich nutzt seit November 2011 Facebook und Twitter für den Dialog mit Einwohnern und Gästen der Stadt. Begleitet von der Fachstelle Social Media Management der HWZ  wurde Ende 2011 die Aktion „#stapo24“ gestartet. Während 24-Stunden berichtete die Stadtpolizei auf Twitter in Echtzeit über 250 Polizeieinsätze und kennzeichnete jede Nachricht mit dem Hashtag #stapo24. Eigentlich unvorstellbar! Angaben zu einem laufenden Polizeieinsatz live im Internet? Da könnte man ja gleich den Polizeifunk im Livestream übertragen! Vielleicht ist die Züricher Polizei gar nicht soweit davon entfernt. Welche Effekte hat Twitter für die Polizei- und Öffentlichkeitsarbeit gebracht? Darüber gibt eine Studie der Hochschule Auskunft. Außerdem konnte ich mit dem Leiter der Aktion über die Ergebnisse sprechen.

Beeindruckt hat mich die genaue, wissenschaftlich begleitete Vorbereitung und Analyse der Aktion. In seinen Vorträgen, zu denen ich Polizeisprecher Michael Wirz gern mal in der Lausitz sehen würde, zitiert er einen britischen Kollegen. Der sagte über den Einsatzes von neuen Medien im Polizeidienst:

“Wir trauen ihnen Waffeneinsatz, schnelle Autos und Verhaftungen zu… aber keine Computer?“ (Justin Partridge, Lincolnshire Police)

Trotzdem war Twitter für die Züricher Polizei ein Lernprozess. Die neue Transparenz und der unmittelbare Dialog mit Bürgern in aller (Welt-)Öffentlichkeit ließe manchen Beamten hierzulande wohl mehr zittern als am Schießstand oder vor dem Cooper-Lauftest. Getwittert haben hier auch keine Streifenpolizisten, die sich auf den Einsatz konzentrieren sollen sondern Fachleute für Öffentlichkeitsarbeit, die bei der Polizei in Zürich arbeiten. Entscheidend für den Erfolg, der sich nicht nur in >5.000 Twitter Followern misst, waren eine ganze Reihe von Faktoren:

  • gute Vorbereitung und fachliche Begleitung
  • Bereitschaft zum Lernen
  • Transparenz nach innen und außen
  • Vertrauen auf allen Ebenen

Beachtlich ist die hohe Akzeptanz in der Bevölkerung. Die wissenschaftliche Auswertung von 24 Stunden Twitter unter dem Stichwort #Stapo24 zeigt positive und neutrale Reaktionen und nur verschwindend geringe negative Äußerungen, wie etwa die Frage nach der Verschwendung von Steuergeldern für twitternde Polizisten. Das Gegenteil ist der Fall. Welche Investition ist wohl nützlicher für eine Polizei im Dienst der Bürger: digitale Funktechnik mit all ihren Macken oder die Ausbildung in zwischenmenschlicher Kommunikation auf Augenhöhe? Nichts anderes sind Social Media.

3 Fragen an Polizeisprecher Michael Wirz

Mit dem Initiator des Projektes, der dazu übrigens seine Master Thesis an der HWZ geschrieben hat,  habe ich über die Motive und Ergebnisse von „#Stapo24“ gesprochen.

Bei vielen deutschen Kollegen dürfte Ihr Einsatz für Social Media noch Kopfschütteln hervorrufen. Wie ist das Projekt in der Polizeiwache Zürich aufgenommen worden?

Wirz: „Der Einsatz von Social-Media-Kanälen bei der Polizei ist in Europa, mindestens in den D/A/CH-Statten, noch nicht sehr weit verbreitet. Entsprechend unterschiedlich waren die Reaktionen innerhalb des Korps im Vorfeld auf unsere neue Strategie im Umgang mit Social Media. Bei Kolleginnen und Kollegen, die bisher wenig Erfahrungen mit den neuen Medien hatten, war eine gewisse Skepsis spürbar, andere hatten weniger Befürchtungen. Nachdem wir Ende letzten Jahres während 24-Stunden über alle Polizeieinsätze via Twitter berichteten (#stapo24) waren die Reaktionen auch intern fast durchwegs positiv. Die Kolleginnen und Kollegen an der Front schätzten es vor allem sehr, dass durch #stapo24 ein authenisch Bild der Polizeiarbeit vermittelt werden konnte.“

Schwer vorstellbar ist der Einsatz von Twitter sicher deshalb, weil gerade die Polizeiarbeit sehr sensible Lebens- und Rechtsbereiche betrifft. Wie sind Sie damit umgegangen?

Wirz: „Selbstverständlich gibt es als Polizeikorps enge Rahmenbedingungen zu beachten. So dürfen zum Beispiel Persönlichkeitsrechte, Urheberrechte und Datenschutzbestimmungen keinesfalls verletzt werden. Ausserdem müssen polizeitaktische Überlegungen berücksichtigt werden. Das macht ein sehr sorgfältiger Umgang mit den Inhalten nötig. Dennoch, letztlich sind nur die Kanäle neu und die Kolleginnen und Kollegen sind sich an diesen Umgang mit sensiblen Daten bereits gewohnt, sei es bei persönlichen Gesprächen oder in anderen Kommunikationssituation. Dies gilt besonders für Mitarbeitende aus der Unternehmenskommunikation aber auch für alle anderen vereidigten Polizisten. Um hier den Kollegen die nötige Sicherheit zu geben ist fundierte Schulung, Begleitung und eine klare verständliche Policy nötig, die den Rahmen festlegt, aber gleichzeitig die Mitarbeitenden nicht zu sehr einschränkt und dadurch verunsichert.“

Sie haben aber sicher nicht über alles getwittert, was über den Notruf 117 hereinkommt, oder?

Wirz: „Während #stapo24 haben wir einen entsprechenden Raster ausgearbeitet und so jeden Einsatz auf die „Brisanz“ geprüft und entsprechend verbreitet. So haben wir zum Beispiel bei einem Fall, in dem eine Patrouille eine umgefallenen Abschrankung aufstellen musste, die genaue Adresse des Einsatzes genannt. Bei einem Familienstreit hingegen nur den Stadtteil, um die Identität der betroffenen Personen zu schützen. Ein paar wenige Einsätze haben wir aus Pietätsgründen gar nicht kommuniziert, so zum Besipiel Suizide oder andere persönliche Dramen.“

Mich überrascht der innovative und unverkrampfte Umgang der Stadtpolizei Zürich mit Twitter übrigens nicht. Im Umgang mit Social Media habe ich schon länger den Eindruck: Die Schweizer haben’s zwar nicht erfunden, haben uns in der Bereitschaft zur Veränderung in der Kommunikation allerdings einiges Voraus.

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Infografik: Stadtpolizei Zürich/HWZ Hochschule für Wirtschaft Zürich. Zum Vergrößern anklicken.